Die Pandemie hatte ihre Spuren hinterlassen und das in jeder Hinsicht.
Der Home-Office-Marathon hatte auch Schulze vollständig aus dem Tritt gebracht, nun war er zurück im Hamsterrad des geschäftigen Aktionismus und benötigte dringend eine Neukalibrierung seines Wertegerüstes.
Was war noch wichtig? Welche Prioritäten gab es jetzt? Sollte er als Führungskraft sich nicht überwiegend mit wichtigen und nicht dringlichen Themen beschäftigen, wie es bereits W. Deming postuliert hatte?
Die sinnfreien Dauermeetings der Vergangenheit waren zwischenzeitlich digitalen Teams oder Zoom Calls gewichen, was dazu geführt hatte, dass noch mehr Menschen, zumeist anonym und ohne Beitrag, ihre Arbeitszeit vergeudeten, wenn sie nicht gerade im Off Kinder in Schach hielten, Kartoffeln schälten oder Gewichte stemmten.
Schulze fragte sich, wie eine “verantwortungsvolle Normalität“ genau aussehen könnte und was das für die Qualitätskultur eines Unternehmens bedeutete?
Klar war, dass Pandemie, Politik und zunehmende Klimasorgen die Unternehmen stark verunsichert hatten und auf Sicht fahren ließ, da Lieferketten brüchig, Materialpreise exorbitant gestiegen und das Kundenverhalten weltweit schwer vorhersehbar geworden waren.
Leider war diese Sicht weder klar noch weit und bedeutete für die meisten Manager schlicht, massiv auf die Kostenbremse zu treten und stumpf einen rigiden Sparkurs zu verfolgen, damit aber weder in Nachhaltigkeit und operative Exzellenz noch in Persönlichkeitsentwicklung zu investieren. Allerorts wurde fleißig in Quartalsergebnissen gedacht und alles beschnitten, was für gute Betriebswirt*innen keinen direkten ROI versprach. Es schlug die Stunde der Finanzer und Controller, dabei brauchte dieses Land doch gerade jetzt Visionäre, mutige Persönlichkeiten und langfristig denkende Unternehmer.
“Wie müsste sich das Qualitätsmanagement in dieser ungewissen Gemengelage konkret positionieren?“ dachte Schulze.
Für die meisten Manager sollte ideales QM vorrangig kostenorientiert und schlank aufgestellt sein, andererseits aber auch flexibel, wertschätzend, kundennah und chancenorientiert sowie die Toprisiken stets antizipierend. “Die Quadratur des Kreises also!“ seufzte Schulze.
“Könnte QM nicht besser als Organisationsentwicklung begriffen, institutionalisiert und wertgeschätzt werden?“
Aber dies schien nach wie vor die größte mentale Hürde in den Firmen zu sein, wie Schulze räsonierte, da Q traditionell die Rolle des Tatortreinigers und Amtsschimmels zufiel.
Wie konnte man bei all dem Silodenken und der um sich greifenden cancel culture dennoch PS auf die Straße bringen und wirksam werden?
Manager pflegten vorrangig ihr Ego und scheuten Verantwortung und klare Entscheidungen,
'Mawis' dachten zumeist eindimensional und beschafften ausschließlich preisorientiert, kümmerten sich dann jedoch nicht im geringsten um die Folgekosten schlechter Zulieferteile. Entwickler bewegten sich mit Spezifikationen zielsicher am Rande der Physik oder verschanzten sich hinter absurden Angsttoleranzen, mieden dagegen konsequent das Feld der Herstellbarkeit oder Zuverlässigkeit und Produktmanager bauten eifrig Luftschlösser in utopischen und kundenfernen Lastenheften.
Eine mutige, prozessorientierte, auf gemeinsamen Zielen basierende Vorgehensweise gab es in den wenigsten Betrieben und Toleranz sowie bedingungslose gegenseitige Unterstützung und Respekt waren ohnehin Mangelware in allen Gesellschaftsbereichen. Stattdessen machten sich Intoleranz, Egoismus, Opportunismus gepaart mit Unsicherheit und Existenzängsten breit.
Schulze sah bereits dunkle Wolken am Horizont der Republik aufziehen...
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